2-Game Format – Eine Hassliebe

Veröffentlicht am 17. Oktober 2024 um 20:00

Die Ausgangslage

Nachdem Lorcana nun etwas über ein Jahr auf dem Markt ist, und wir neben dem fulminanten Start als TCG generell auch einen großen Andrang in der kompetitiven Szene feststellen konnten, ist es an der Zeit das alles einmal Revue passieren zu lassen. Lorcana bietet dem Startspieler einen großen Vorteil das Spiel zu gewinnen, keinen unbesiegbar großen Vorteil, aber doch merklich genug, um im klassischen Best-of-3 Format den Gewinner des Würfelwurfs stark zu bevorteilen.

Vor dem Beginn der ersten kompetitiven Saison hat Ravensburger deshalb das 2-Game Format entwickelt und für den Swiss-Teil an Tag 1 der großen Turniere vorgeschrieben. Der Gedankengang war klar, jeder Spieler fängt einmal an, daher bestimmt der Würfelwurf nur noch, ob man in dem Spiel anfangen möchte, wo man das Deck des Gegners noch nicht kennt oder im zweiten Spiel.

The Good

Der Ansatz hat sicherlich viele gute Absichten und einige kritische Aspekte wirklich gut abgeschwächt. Gerade Neulinge oder Casual-Spieler profitieren nun davon, dass sie erste Erfolge deutlich leichter einheimsen können als im klassischen Best-of-3. Wenn hier der Würfelwurf auch noch vorgibt, dass der stärkere und erfahrenere Spieler anfangen darf, dann gibt es oftmals wenig, was Neulinge tun können, um das Spiel aktiv mitzugestalten. Lorcana ist ein inklusives und tendenziell familienfreundliches TCG. Die Disney IP steht ja auch für ebendiese Werte. Daher ist das 2-Game Format bestens geeignet, um neue Spieler mit Spaß zu binden und mehr Interesse zu wecken, oder auch Casual-Spielern Erfolgserlebnisse zu bieten – z.B. indem sie gegen die stärksten Spieler im LGS auch mal ein Unentschieden erringen. Ein weiterer großer Vorteil ist der deutlich geringere Zeitbedarf. Wenn 2 Controldecks aufeinandertreffen, lief es bei Best-of-3 oftmals so, dass die Runde nicht beendet werden konnte. Daher schafft das 2-Game-Format gerade für Spieler, die nicht so vertraut mit ihren Karten sind, auch genug Zeit zu überlegen und das Spiel zu genießen.

The Bad

Problematischer wird das ganze aus meiner Sicht, wenn man in den kompetitiveren Bereich eines TCGs geht. Hierzu muss man die Preisstruktur der Disney Lorcana Challenges mitbetrachten. Der Großteil der Teilnehmer der Lorcana Challenges treten an um die wunderschönen und wertvollen Promokarten zu erringen, um auf dem höchsten Level gegen andere starke Spieler anzutreten und um sich einen Namen in der Szene zu machen. Um garantiert in Preisränge vorzustoßen benötigt man Ergebnisse von 4 2:0 Siegen und 5 Unentschieden („Let it go“) oder sogar 5 Siege und 4 Unentschieden (Day 2). Geringere Ergebnisse können reichen, können aber eben auch dazu führen, dass man knapp scheitert. Davon ausgehend, dass auf Lorcana Challenges vor allem Spieler an den mittleren bis oberen Tischen spielen, die das Spiel grundsätzlich verstehen und mit gewissen Ambitionen antreten, ist der Skill-Unterschied manchmal vorhanden oftmals aber auch nicht gegeben, sodass andere Faktoren entscheidend sind. Diese Faktoren umfassen Dinge wie das Match-Up (bei 2000 Leuten und einem so diversen Meta wie es derzeit (Set5) herrscht auch eher random) und der tatsächliche Draw. Ansonsten tendieren viele Spiele dazu unentschieden auszugehen. Kombiniert man nun diese beiden Punkte – die Voraussetzung Spiele gewinnen zu müssen und dem nicht unerheblichen Glücksfaktor führt dazu, dass sich ein Unentschieden auf kompetitiver Ebene eher wie eine Niederlage für beide Spieler anfühlt (im Gegensatz zu Best-of-3 wo eigentlich meistens ein Spieler gewinnt und damit weiterkommt).

Fazit

Während in der Praxis zumeist dennoch Spieler in den Top-Cut kommen, die auch wirklich gut sind (es ist eine außerordentliche Leistung die Challenges gut abzuschließen), sorgt das Format und die Preisstruktur bei Disney Lorcana Challenges in meinen Augen dafür, dass viele Spieler mit dem unguten Gefühl aus dem Turnier gehen, möglicherweise nicht ein Spiel verloren zu haben, aber dennoch chancenlos gewesen zu sein. Dies trifft vorallem die breite Masse an Spielern, die knapp eine Ebene unter den Top-Spielern sind sowie einige Prospieler, die einfach ein wenig mehr Pech hätten. Der Ansatz mit dem 2-Game-Format war sicherlich interessant und stellt in meinen Augen gerade auf Casual Ebene eine schöne Gelegenheit dar, die Einstiegshürde für neuere Spieler flacher zu halten. Es war auch klar, dass Ravensburger auf den Startspielervorteil reagieren musste, aber auf kompetitiver Ebene ist dies in meinen Augen nicht die richtige Lösung. Ich persönlich fände ein Sideboard nicht uninteressant. Dies wurde jedoch - Stand jetzt – diskutiert, aber verworfen. Nichts desto trotz bin ich gespannt wie sich das Spiel weiterentwickelt und freue mich diese Entwicklung mit zu erleben.

Grüße, euer Stefan

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