Lorcana Masterclass - Who is the beatdown?

Veröffentlicht am 8. Oktober 2025 um 10:57

Nun ja es hat vielleicht doch etwas länger gedauert als nur „bis nächste Woche“, aber heute widme ich mich endlich dem Thema der nächsten Masterclass „Who is the beatdown?“

"Who is the beatdown?" ist eine Frage, die in die Frühzeit von competitive TCG Turnieren zurückgeht. Magic the Gathering als Trading Card Urgestein hat einige sehr talentierte Theorycrafter und Deckbuilder dazu ermutigt tiefer in die Spielmechaniken und dem Verständnis von vorteilhaften Situationen einzutauchen. Einer dieser Autoren war Mike Flores, der auf der (leider heute nicht mehr verfügbaren) Seite „The Dojo“ besagten Artikel geschrieben hat. Ich versuche heute diese grundlegenden Konzepte für euch auf Lorcana zu übertragen, da ich - genau wie er - der festen Überzeugung bin, dass eine korrekte Einschätzung der Spielsituation zumeist über Sieg oder Niederlage entscheidet. Die Ideen von Mike Flores hat  Zvi Mowshowitz (Magic Hall of Fame 2007) etwas weiter verfeinert, denn während Mike Flores' Analyse sehr auf dem Deckbau-Aspekt basierte, überträgt Zvi die These spezieller auch auf einzelne Spielsituationen.

Im Grunde kann man die Analogie von „Who is the beatdown?“ auf nahezu jede wettkampforientierte Situation übertragen - sei es Lorcana, Fußball oder ein Wettrennen. Es geht darum richtig einzuschätzen, wer gerade in der vorteilhaften (gewinnenden) Position ist, und wer mehr tun muss, um das Spiel zu drehen. Beim Fußball ist es einfach – eine Mannschaft die mit 3 Toren führt, ist mit dem Status Quo zufrieden, während die andere Mannschaft dringend agieren muss. Analog kann man beim Wettrennen an einen entsprechenden Vorsprung denken.

Bei Trading Card Games wie Lorcana kann man vom grundsätzlichen Gameplan ausgehen, dass ein Aggrodeck in der Regel versucht immer sehr aktiv zu sein, während das Controldeck (zumindest sobald es das Board übernommen hat) eher gelassen auf den Status Quo guckt. Das Aggrodeck ist also i.d.R. das Beatdown Deck. Aber wie sieht es aus, wenn sich 2 Aggrodecks gegenüberstehen? Oder generell ein Mirrormatch? Oder wie sieht es aus, wenn das Aggrodeck bereits auf 17 Legenden ist und im nächsten Zug das Spiel gewinnen würde? Im letzten Beispiel ist das Controldeck massiv unter Zugzwang und wird im Spielgeschehen zum Beatdown Deck, also zu dem Deck, das dringend aktiv werden muss, um das Spiel zu gewinnen. Auch im Mirrormatch ist nicht klar, welches Deck das Beatdown Deck ist und um ehrlich zu sein, kann dieser Status während des Spiels (theoretisch auch mehrfach) wechseln, und sollte für jede Boardsituation neu analysiert werden. Viele Spieler tun dies auch mit Sicherheit (vielleicht nicht ständig, aber immer mal wieder) – denn das beeinflusst natürlich die Entscheidung, ob Questen, Herausfordern oder einfach nichts tun, die beste Entscheidung ist. Diese Entscheidung strategisch und vorausschauend zu treffen, genau davon handelt die Frage „Who is the beatdown?“

Schauen wir uns ein paar Spielsituationen an:

Der Blurple Spieler steht nun vor einer sehr wichtigen Entscheidung:

a) Er kann entweder die Belle vom Feld nehmen und dabei auch einen Hades verlieren und für 2 questen gehen. 

b) Er kann den freeze Effekt von Elsa nutzen, um für 4 questen zu gehen und somit potentiell im nächsten Zug zu gewinnen.

c) Er kann das Amethyst Steel Board komplett clearen und verliert dabei auch beide Hades.

 

Da Lila/Stahl in diesem Beispiel zu gewinnen droht liegt die "Beatdown"-Rolle derzeit bei Blurple. Blurple muss aktiv werden, um das Spiel zu gewinnen. Wägen wir die verschiedenen Varianten einmal gegeneinander ab. Hierbei ist es relevant sich die verschiedenen Outs von Lila/Stahl anzugucken. Variante c) sorgt dafür, dass Blurple frühestens in 4 Runden (ggf. verkürzt durch zukünftige Topdecks) das Spiel gewinnt. 4 Runden sind eine lange Zeit für Lila Stahl um Antworten zu finden. In Variante a) würde Blurple ebenfalls erst in 3 Runden gewinnen, da er diese Runde für 2 questen gehen kann, nächste Runde für 7 und dann auf 20 kommt. In Variante b) würde Blurple im folgenden Zug gewinnen. Mögliche Outs seitens Lila/Stahl wären einerseits Herz aus Stahl (bei Variante b), um sich einen weiteren Zug zu erkaufen) oder eine Riesenkobra, da der Spieler noch eine Handkarte hat (Chance abgesehen von bereits gespielten oder getinteten Karten 3-4/60). Ist die Handkarte selber die Riesenkobra, kann der Blurplespieler den Sieg von Lila/Stahl sowieso nicht verhindern. Die Wahrscheinlichkeit mit der Lila/Stahl eine Riesenkobra zieht wächst aber mit jedem Zug, den man ihm Zeit gibt. In Variante 1 stellt auch die weiße Rose ein Out für Lila/Stahl dar, daher erhöht man die Anzahl der Optionen gegen die man verliert. 

Meine Einschätzung ist, dass auch wenn ein Herz aus Stahl potentiell schmerzhaft sein kann, hat man mit Blurple zumeist mehr Outs, um im längeren Game eine Lösung zu finden (und wenn er Herz aus Stahl spielt bedeutet das auch Lila/Stahl kann in diesem Zug nicht gewinnen). Daher ist es in meinen Augen für Blurple hier das richtige Play maximal aggressiv questen zu gehen, um die Möglichkeiten für Lila/Stahl das Spiel direkt zu gewinnen zu minimieren.

Hier haben wir ein Beispiel von 2 sehr aggressiven Decks, die sich gegenüberstehen. Amber Steel war on the play und ist gut losgezogen. Auf der Hand von Grün/Lila sehen wir keinen Kit Wolkenflitzer, um der Tiana Herr zu werden. Gegen langsamere Decks kann es oft eine gute Idee sein in Turn 3 jetzt 2 Meervölker zu spielen, um selber Druck aufzubauen. In dieser Spielsituation ist Lila/Grün allerdings in der Control Rolle und muss dringend den Status Quo ändern. Eine Daisy durch den Fuchs vom Feld zu nehmen, nimmt Amber/Steel schon mal einiges an Tempo, daher ist in dieser Spielsituation sicherlich das die beste Wahl.

Ihr seht eine kontinuierliche Analyse der Spielsituation und ein Verständnis davon, ob ihr aktiver oder reaktiver handeln müsst, entscheidet oft über Sieg oder Niederlage. Die richtig guten Spieler haben diese Analyse in ihren Denkprozess automatisiert integriert und ich bin mir sicher, dass (zu einem gewissen Grad) jeder Spieler über solche Themen nachdenkt, aber die systematische Herangehensweise und ständige Neubewertung macht im Laufe eines Spiels einen Riesenunterschied aus.

Ich hoffe, dass euch diese Ausführungen eines der wichtigsten und ältesten Konzepte in competitive TCGs weiterhelfen können und freue mich die Masterclass mit dem letzten Thema "Mindgames" demnächst abschließen zu können. Stay tuned, seid lieb zu einander und habt Spaß beim Kartendrehen =)

Euer Stefan

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