
Kommt euch die Situation bekannt vor? Ihr habt die Regeln von Disney Lorcana verstanden, aber die Resultate auf Liga-Events geschweige denn Setmeisterschaften lassen noch auf sich warten? Glück gehabt, ihr müsst nicht alle Erfahrungen und Learnings selbst machen, um Schritt für Schritt besser zu werden. Disney Lorcana ist bei Weitem nicht das erste TCG auf dem Markt, sodass wir – wenn wir über den Tellerrand hinausschauen – auf Erfahrungen zu verschiedenen Spielkonzepten von über 30 Jahren zurückgreifen können. Begleitet mich in den kommenden Wochen auf einer Reise durch verschiedene Konzepte, Deep-Dives zu Strategien und – wer Lust hat – sogar ab und an ein wenig Mathe, um mehr aus euren Games rauszuholen. Und vielleicht schaffe ich es ja ein paar von euch einen Schritt weiterzubringen.
Der erste Aspekt mit dem sich jeder Luminari befassen muss, ist die Frage nach dem Deck. Welches Deck ist das vielversprechendste, welches passt am besten zu meinem eigenen Spielstil? Hier haben wir heute einen unermesslichen Vorteil gegenüber den ersten kompetitiven Spielern in 1994 – das Internet. Es gibt diverse Quellen von Decklisten; unter anderem auch von großen Turnieren und von den weltbesten Spielern. Eines an dieser Stelle aber vorweg: Das letzte große Turnier – die 1. Disney Lorcana Weltmeisterschaft – stellt hierbei einen Sonderfall dar. Das Triple-Deck-Constructed Format mit den Bans erforderte einen Deckbau, der vom normalen Constructed abweicht. Daher gibt es eine klare Empfehlung die WM-Decks nicht blind zu übernehmen!
Aber zurück zur Eingangsfrage: Welches Deck wollt ihr spielen? Und welcher Decktyp liegt euch?
Es mag verschiedene Gründe geben ein spezielles Deck zu wählen, vielleicht gefällt euch die Farbe oder eine spezielle Karte um die ihr ein Deck bauen wollt. Diese Aspekte mögen am Küchentisch zählen, hier aber nicht! Diese Masterclass soll sich an Spieler richten, die den nächsten Schritt in Richtung competitive Play gehen wollen.
Bei Lorcana ebenso wie bei allen anderen TCGs, die ich kenne (kein Anspruch auf Vollständigkeit), kann man zwischen 4 großen Decktypen unterscheiden. Aggrodecks versuchen das Spiel möglichst schnell zu gewinnen, bevor der Gegner in der Lage ist hinreichend zu reagieren. Oftmals werden diese Decks als Anfängerdecks bezeichnet, da das grundlegende Spielkonzept (Karten seitwärts drehen) einfach umzusetzen ist. Umso mehr man sich mit dem Spiel als Ganzes befasst, umso mehr stellt man fest, dass auch Aggrodecks einiges an taktischer Tiefe bieten und daher die besten Resultate erzielen, wenn sie überlegt gesteuert werden. An der gegenüberliegenden Seite des Spektrums finden wir Controldecks, die das Spiel eher langsam angehen lassen, schnellere Gegner bremsen, bis sie irgendwann zum großen Swing ausholen und die Kontrolle über das Game komplett übernehmen. Es ist nicht unüblich, dass Controlspieler Spiele gewinnen, obwohl ihr Gegner schon auf 17-19 Legenden war. Dazwischen liegt das gute alte Midrange Deck, in manchen TCGs auch als Best-of-Haufen bezeichnet. Midrangedecks sind in der Lage sich perfekt an die jeweilige Spielsituation anzupassen und spielen in der Regel in der Tat sehr viele sehr individuell starke Karten. Macht hierbei aber bitte nicht den Fehler und klatscht einfach 50% eines Aggrodecks und 50% eines Controldecks zusammen und erwartet ein gutes Midrangedeck. Der Deckbau ist deutlich komplexer. Einen Sonderfall der großen Decktypen bilden Combodecks, die in der Regel gar nicht mit dem Gegner interagieren wollen und irgendwann innerhalb einer einzigen Runde das Spiel gewinnen möchten. Beispiele hierfür sind die Sheriff/Biest/Bayou Combo oder zuletzt die Monstro OTK Combo.

Die Wahl des Decks hat entfernt auch etwas mit dem Persönlichkeitstyp zu tun. Seid ihr impulsiver und emotionaler kann es gut sein, dass ihr euch mit schnelleren Decks wohler fühlt. Seid ihr abwartend und sehr überlegt, könnten Control Decks euch mehr liegen. Es gibt sicherlich auch Ausnahmen und insbesondere Spieler, die viel Zeit in das Spiel investieren sind in der Lage alle Decktypen zu meistern, aber vielleicht hilft es dem ein oder anderen Mal darüber nachzudenken, mit welcher Denkweise und Strategie er/sie sich am wohlsten fühlt.
Zu guter Letzt gibt es bei der Deckwahl noch einen zweiten essentiellen Punkt zu beachten. Die Konsistenz.
Ein Paradebeispiel für zwei Spieler an unterschiedlichen Enden des Spektrums für die Konsistenz bilden Edmond Chiu und Frank Karsten. In den Decks von Ed findet man ganz, ganz selten Karten, die weniger als 4-mal enthalten sind. Ed misst der Konsistenz eine enorme Bedeutung zu und spielt in der Regel die seiner Meinung nach 15 besten Karten jeweils 4-mal. Auch hier mag es vereinzelt Ausnahmen geben, aber wenn man sich den Großteil seiner Decks anguckt, entdeckt man genau diesen Trend. Auf der anderen Seite haben wir Frank Karsten, der eigentlich immer einige 1- oder 2-ofs in seine Decks einbaut. Dies erhöht sicherlich die Fleixbilität und Möglichkeiten in bestimmten Situationen, erhöht aber ebenso die Varianz und senkt daher die Konsistenz seines Decks. Je nach Turnierformat – das sei hier auch nicht unerwähnt – bietet der Ansatz von Frank Karsten aber noch einen weiteren Vorteil. Sobald mit offenen Decklisten gespielt wird, muss der Gegner die 1-of Karten bei seinen Spielentscheidungen mitberücksichtigen und durch die breitere Verteilung, selbst wenn Frank die Karten nicht auf der Hand hat, gibt es mehr Möglichkeiten das Spiel des Gegners zu beeinflussen.
Wie findet ihr nun den für euch richtigen Decktyp? Mögt ihr Konsistenz oder seid ihr ein Zocker und steht auf „high risk / high reward“? Eine tolle Möglichkeit das für euch herauszufinden ist folgendes Gedankenexperiment:
Ihr wollt an einem Würfelturnier teilnehmen (und natürlich gewinnen) und habt die Auswahl zwischen 3 verschiedenen Würfeln (es gibt theoretisch noch mehr Abstufungen als nur schwarz/weiß, aber zur Vereinfachung des Konzepts sollten 3 Arten reichen):
- Ihr wählt einen normalen 6-seitigen Würfel (Erwartungswert 3,5)
- Ihr wählt einen Würfel, der je 3* „3“ und 3* „4“ Augen hat (Erwartungswert 3,5)
- Ihr wählt einen Würfel, der je 3* „1“ und 3* „6“ Augen hat (Erwartungswert 3,5)
Alle drei Würfel haben den gleichen Erwartungswert, aber während manche auf Nummer sicher gehen für ein ausgewogenes Ergebnis, bieten andere die Möglichkeit alles oder nichts zu wählen. Je nachdem für welchen Würfel ihr euch intuitiv entscheiden würdet, gibt es euch Aufschluss darüber, wie wohl ihr euch mit Konsistenz bzw. Varianz fühlt. Ich hoffe ich habe euch ein paar Konzepte schon einmal ein wenig nähergebracht. Wir sehen uns im nächsten Teil, wo wir uns dem Deckbau widmen. Stay tuned, seid lieb zu einander und habt Spaß beim Kartendrehen =)
Euer Stefan
Kommentar hinzufügen
Kommentare
Schöner erster Teil deiner Masterclass!
Lässt sich super, wie immer lesen.
Mein 2. Jahr Lorcana beginnt nun und ich möchte besser werden und ich Frage mich seit Wochen welcher Deck Typ am besten zu mir passt.
Dein Beitrag hilft mir unheimlich diese Frage zu beantworten,da ich nun ein weiteres Reflexions Tool habe.
Freue mich auf den nächsten Teil!